Die kleinen Helden Wie ausgerechnet Möpse den Lauf der Geschichte veränderten
Henriètte ist viel beschäftigt. An diesem Morgen empfängt sie ein Dutzend Gäste, die nun aufgeregt in den grünen Salon drängen und sich unter ehrfürchtig gehauchten „ohs“ und „ahs“ um ihr rosa Sofa herumgruppieren. Erhaben blickt die kleine Mopsdame in die Runde – sie ist zur Zeit eine der berühmtesten Persönlichkeiten Japans. Ihre künftigen Welpen sind bis ins Jahr 2012 ausverkauft, und auf eine Audienz bei ihr warten die Menschen mehr als acht Monate lang. Warum? Weil Henriètte de la Roseraie angeblich einer der letzten wahren Nachfahren jener Ur-Möpse ist, die vor über 2000 Jahren am Kaiserhof Chinas dienten.
„Damals war es einzig dem Kaiser erlaubt, einen Mops anzufassen“, sagt Henrièttes Besitzerin Michiko An. „Es waren Königshunde, von denen es hieß, jede Berührung bringe sieben Jahre Glück.“ Eifersüchtig wird über die Rasse gewacht – Jahrhunderte lang soll die Ausfuhr von zuchtfähigen Möpsen mit dem Tode bestraft worden sein, und erst im 16. Jh. gelangen die Hunde nach Europa.
Es wird ein Siegeszug ohnegleichen: Ein Mops beendet im Jahr 1504 die Belagerung der baden-württembergischen Stadt Bretten; 1570 rettet ein Mops Prinz Wilhelm I. vor einem Mordanschlag, indem er die Meuchler durch lautes Bellen verrät. Das Königsgeschlecht Oraniens ernennt den Mops daraufhin zum offiziellen Hund seines Herrscherhauses, und während Möpse in Spanien zum bevorzugten Motiv des Malers Goya avancieren, nehmen sie in Italien bald die auserwählte Plätze auf den Kutschböcken der Edelleute ein – gewandet in so erlesene Seidenuniformen wie die Kutscher selbst. Im Jahr 1740 schließlich gründet eine Gruppe der Freimaurer den berüchtigten „Mops-Orden“ – eine Geheimgesellschaft, deren Aufnahmeritual das neunmalige Umrunden eines Teppichs unter lautem Gebell der Mitglieder umfasst. Ihnen wird der Mops zum Symbol von Treue, Zuverlässigkeit und Standhaftigkeit – als erste Geheimloge nimmt der „Mops-Orden“ auch Frauen auf.
„Die Welt wäre eine andere, gäbe es die Möpse nicht“, erklärt Michiko. Man nehme nur das Beispiel von Josephine de Beauharnais: Während der französischen Revolution wurde die Adelige inhaftiert. Einzig ihr Mops Fortuné besaß Besuchsrecht – in seinem Halsband versteckte Josephine Nachrichten, die angeblich auch jenen Mann erreichten, den sie zwei Jahre später heiratete: Napoleon Bonaparte, den zukünftigen Kaiser Frankreichs. Henriètte jedenfalls lauscht andächtig den Anekdoten ihrer heldenhaften Vorfahren. Dann bettet sich die Mopsdame adrett auf das Sofa, lässt sich von jedem Gast ausgiebig streicheln – und schenkt ihnen allen, wenn auch nicht für sieben Jahre, zumindest diesen einen Moment des Glücks, den nur ein Mops schenken kann.
Quelle: D. Teves – Ein Foto und seine Geschichte, TV Hören und Sehen, 33/08